Hauptsache billig - was industrielle Landwirtschaft den Menschen antut
Im Impulsreferat ging D. Behr auf die südspanische Landwirtschaft ein: auf das 35 – 40 000 ha große „Plastikmeer“ von Almeria, wo ca. 100 000 – 150 000 Arbeiter/innen Gemüse für die europäischen Supermärkte ernten. Von den ArbeiterInnen sind aber nur etwa 45 000 legal beschäftigt. Rechtlosigkeit, Ausbeutung der ArbeiterInnen und Rassismus sind also die Kehrseiten des Angebots billigen Gemüses in ganz Europa.
Das Europäische BürgerInnen-Forum engagiert sich seit den rassistischen Ausschreitungen im Februar 2000 für Menschen dieser Region und arbeitet eng mit der Landarbeitergewerkschaft SOC zusammen, die immer wieder Verhandlungserfolge zugunsten der Arbeiter/innen erzielt hat.
Almeria war bis weit in die 70er-Jahre hinein ein strukturschwaches Gebiet mit massiver Abwanderung. Extensive Viehzucht und Fischerei boten kaum Perspektiven. Mit dem Einzug des Plastiks (in den 80er-Jahren) veränderte sich die Situation: Es gab und gibt eine massive Einwanderung aus Nordafrika (und auch Osteuropa) im Dienste der intensiven Gemüseproduktion. Diese wird von einer Vielzahl kleiner Produzenten mit hoher Verschuldung und kleinen Gewinnen getragen. Die prekäre soziale Situation der Beschäftigten gehört also mit zum System. Die Arbeitsbedingungen sind katastrophal: Hitze, Pestizide, Arbeitsunfälle, Verstöße gegen Kollektivverträge, Sexarbeit … sind die Kehrseite der ganzjährig angebotenen Produkte in den Supermärkten Europas.
In seiner Stellungnahme sprach Elmar Weissenbach vom Ziel eines mündigen Konsumenten, der bereit ist, für gute Produkte gute Preise zu bezahlen, der sich über die Energiebilanz von Lebensmitteln informiert und der sich z.B. klar macht, dass Vorarlberg ernährungssouverän sein könnte, wenn es sich nicht isoliert sieht, sondern die Gebiete in einem Umkreis von 150 km miteinbezieht. Das Motto der Supermärkte „Hauptsache billig“ lässt die Energiebilanz sowie die Sozialbilanz der Produkte vergessen. Eine Gesellschaft, die Flatscreens und Plastikspielzeug gegen Qualitätsprodukte im Lebensmittelbereich eintauscht, muss sich fragen, wo die richtigen Prioritäten liegen.
Dagegen steht eine Kooperative von ca. 30 Vorrlberger Biobauern, die es mittlerweile mit ihren Produkten (Gemüse, Getreide, Fleisch …) bis in die etablierten Supermärkte geschafft hat. Dieses Angebot zu nützen gehört auch zur Verantwortung mündiger KonsumentInnen.
Eine kluge Landwirtschaftspolitik für Vorarlberg würde analog zum Ziel der Energieautonomie die Ziele von regionaler (nicht allein auf das Land bezogener) Ernährungssouveränität mit dem Eintreten für einen ökologisch und sozial verantwortlichen agrarischen Welthandel verbinden und dafür gegenüber der Bevölkerung, aber auch den politisch Verantwortlichen in Wien und Brüssel eintreten.
Im Anschluss an die Podiumsdebatte entwickelte sich ein intensives Gespräch mit dem Publikum, das die Wichtigkeit einer guten Landwirtschaftspolitik betonte.
Die VA wurde von Radio Proton in einem Feature bzw. in der Tageszeitung „Der Standard“ in einem Gespräch mit D. Behr (anlässlich der EHEC-Krise des europäischen Gemüsehandels) weiter verbreitet.